Forschung und Forschungskooperationen im Fachgebiet Sicherheitstechnik/Sicherheits- und Qualitätsrecht
Im Schatten des Vorschriften- und Regelwerks – Hemmende und fördernde Faktoren der Prävention
Von der Hypothese ausgehend, dass Erwerbstätige einschließlich Beschäftigte in ihrem arbeitsweltbezogenen Tätigkeitsbereich, aber auch in ihren Lebenswelten, intrinsisch, d.h. eigenmotiviert Maßnahmen der Verhaltensprävention durchführen und dadurch bedingt auch die Verhältnisprävention beeinflussen, stellen sich eine Reihe von Forschungsfragen.
Wenn diese eigenmotivierten Maßnahmen nicht explizit mit dem Vorschriften- und Regelwerk begründet bzw. aus diesem abgeleitet werden, bezieht sich dies zunächst auf die Konstitutionsbedingungen des sozio-kulturellen Hintergrunds, gestützt durch verfügbare individuelle und kollektive Ressourcen („kulturelles und soziales Kapital“). Vermittelt mit dem historischen Verlauf wäre ein Selbstverständnis zu unterstellen, das unbewusst zur Einhaltung grundlegender, normativer Standards im Arbeitsschutz beiträgt. Ein solches Selbstverständnis, welches sich hinter dem Rücken der Akteure des Arbeitsschutzes bildet, bestimmt ein grundsätzliches Mindest-Niveau von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Es hat allerdings keine Ewigkeitsgarantie und ist branchen- und tätigkeitsbezogen zu differenzieren.
Im Lichte seiner Dynamik, geradezu Fragilität, werden im Fachgebiet Sicherheit- und Qualitätsrecht dementsprechende fördernde und hemmende Faktoren für die Durchführung eigenmotivierter, verhältnis- und verhaltenspräventiver Maßnahmen, erforscht. Hierzu werden, in Bezug auf Verhaltensprävention, u.a. Gesichtspunkte der Selbstwirksamkeitserwartung, der Motivation, der Ressourcen, der zeitlichen Nähe und des Ausmaßes der Wirkung des Handelns sowie der Werte und Ziele von Erwerbstätigen hinsichtlich ihrer hemmenden und fördernden Wirkung betrachtet.Gewonnene Erkenntnisse zu eigenmotiviertem Handeln von Erwerbstätigen, sozusagen „im Schatten“ gesetzlicher Verpflichtungen sind besonders relevant mit Blick auf die Zunahme und Veränderung von Formen flexibler Erwerbstätigkeit. Damit verbunden stellt sich die Frage, wie hiervon betroffene Erwerbstätige wirksamer durch Präventionsdienstleistungen erreicht werden können.
Durch interdisziplinäre Betrachtungen der Grundelemente des Arbeitsschutzes und der Betrieblichen Gesundheitsförderung unter Einbeziehung arbeitspsychologischer und sonstiger wissenschaftlicher Erkenntnisse soll ein übergreifendes Bild der informellen Prävention jenseits des Vorschriften- und Regelwerks innerhalb und außerhalb von Betrieben entwickelt werden.
Compliance - Arbeitsschutzmanagement
Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten in Betrieben und Verwaltungen sollten
systematisch organisiert,
als Führungsaufgabe gemanagt und
professionell durchgeführt werden.
Dies ist die Grundlage für die Nachhaltigkeit von Maßnahmen und gewährleistet nicht zuletzt Beiträge des Arbeitsschutzes zum Unternehmensergebnis.
Wie bei anderen betrieblichen Aufgaben (z. B. der Qualitätssicherung) ist daher auch für die Sicherheit, die ergonomische Gestaltung der Arbeit, den Gesundheitsschutz und die Gesundheitsförderung die Einführung und Aufrechterhaltung eines entsprechenden Managementsystems sinnvoll. Ein solches Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) sollte in bestehende Managementsysteme integriert sein.
Seit 2002 existiert für den Aufbau eines AMS ein allgemein anerkannter Leitfaden, der nationale (deutsche) Leitfaden für AMS. Er wurde von allen in Deutschland im Arbeitsschutz relevanten Gruppen vor allem auf Basis der ILO-Leitlinien für AMS: ILO/OSH 2001 Guidelines on Occupational Safety and Health Management Systems im Konsens erarbeitet. Seine Anwendung ist freiwillig.
Seit Anfang 2003 verwenden Unternehmen den nationalen Leitfaden für AMS für den Aufbau eines unternehmensspezifischen AMS. Um wissenschaftlich fundierte Erfahrungen mit der Anwendung dieses Leitfadens zu sammeln und zur Überprüfung seiner Praktikabilität, förderte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zwei modellhafte betriebliche Beratungen. Das Fachgebiet Sicherheits- und Qualitätsrecht war an der Begleitung dieser Fördermaßnahmen beteiligt.
Modellhafte betriebliche Beratung zum Thema Arbeitsschutzmanagement im Handel: Pilotprojekt REWE
Mit dem Forschungsanwendungsvorhaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin - BAuA (F 2088) ist modellhaft die Umsetzung des nationalen Leitfadens für Arbeitsschutzmanagementsysteme in der Niederlassung West des Handels- und Dienstleistungsunternehmens REWE erprobt worden. Dabei wurde insbesondere an die Ergebnisse des Forschungsanwendungsvorhabens der BAuA Qualitätsmanagement und integrierter Arbeits- und Gesundheitsschutz. Modellprojekt der REWE-Zentralorganisationen: Logistik, Lagerwirtschaft (BAuA-Forschungsanwendungsbericht Fa 47) und des BAuA-Forschungsprojekts "Ermittlung des Standes von Sicherheit und Gesundheitsschutz infolge des neuen Arbeitsschutzrechts" (BAuA-Forschungsbericht Fb 952) angeknüpft. Weitere Erkenntnisse und Erfahrungen zum Thema AMS wurden berücksichtigt. Mit dem Vorhaben wurden Beiträge zur Entwicklung eines handelsspezifischen Leitfadens für AMS entwickelt.
Die Ergebnisse des Projekts "AMS Handel belegen, dass die Einführung systematischer Konzepte wesentliche Impulse zur Verbesserung der Effektivität von Sicherheit und Gesundheitsschutz leisten können. Andere Handelsunternehmen können sich an den modellhaften Ergebnissen orientieren. Die interessierten Kreise sind nun gefordert, eine nachhaltige Fortsetzung dieser erfolgreichen Aktivitäten auf dem Weg zur "Healthy Company" zu unterstützen.
Auftraggeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Beteiligte Forschungseinrichtungen: Institut ASER, Wuppertal; Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, BIPS
Laufzeit: 09/2003 12/2004 (abgeschlossen)
Literatur: Larisch; J. / Ritter, W. / Saßmannshausen A. / Lang, K.-H. / Pieper, R. / Hien, W. (2005): Ansätze und Beispiele zur systematischen Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit im Handel, Fa 60. Bremerhaven. Vergriffen. In zusammengefasster Form unter www.baua.de noch als Quartbroschüre erhältlich
Modellhafte betriebliche Beratung zum Thema Konzeption und Einführung eines betriebsspezifischen Arbeitsschutzmanagementsystems entsprechend dem nationalen Leitfaden für Arbeitsschutzmanagementsysteme im Aus- und Fortbildungszentrum der E.ON Kraftwerke GmbH
Das Aus- und Fortbildungszentrum der E.ON Kraftwerke GmbH (AFZ) in Gelsenkirchen-Buer wies bereits im Vorfeld der Fördermaßnahme ein hohes Niveau in seiner Arbeitsschutzleistung auf, hatte aber noch kein Arbeitsschutzmanagementsystem eingeführt.
Mit der im Rahmen der modellhaften betrieblichen Beratung unterstützten Einführung eines betrieblichen AMS auf der Basis des nationalen Leitfadens verband das AFZ die folgenden Zielsetzungen:
Kontinuierliche Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz
Systematisierung der Vorgehensweisen im Arbeitsschutz,
Verbesserung der Transparenz der externen Forderungen und deren Erfüllung,
Verbesserung der Arbeitsschutzorganisation,
Steigerung der Wirksamkeit der Arbeitsschutzaktivitäten,
Klärung und Verbesserung der arbeitsschutzrelevanten Schnittstellen (auch solchen zu externen Stellen, wie z. B. der Berufsschule) sowie
Pilotartige Erprobung eines betrieblichen AMS.
Der nationale Leitfaden erwies sich als gute Handlungshilfe zur Gestaltung eines betriebsspezifischen AMS des AFZ und konnte den betrieblichen Bedürfnissen entsprechend angewendet werden. Die Ziele des Vorhabens wurden erreicht; die vorliegenden Ergebnisse sind für weitere Institutionen der beruflichen Aus- und Fortbildung anwendbar.
Auftraggeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Beteiligte Forschungseinrichtungen: Institut fbt Forschung-Beratung-Training, Dr. Albert Ritter, Ottersberg
Laufzeit: 09/2003 12/2004 (abschlossen)
Literatur: Ritter, A. / Dresenkamp, J. (2005): Arbeitsschutzmanagement in der beruflichen Aus- und Fortbildung, Fa 61. Bremerhaven. Wirtschaftsverlag NW (in zusammengefasster Form unter www.baua.de auch als Quartbroschüre erhältlich)
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